Claus Wisser: Der mächtige Kumpel (2024)

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Von: Claus-Jürgen Göpfert

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Claus Wisser: Der mächtige Kumpel (1)

Vom Putzmann zum Multi-Millionär: Der Unternehmer und Mäzen Claus Wisser ist im Alter von 81 Jahren gestorben.

Wenn er lachte, und er lachte gerne, dann bebte sein mächtiger Körper. Wenn er sich wohlfühlte, dann zündete er eine Zigarre an, ganz langsam, mit einem Streichholz und nahm tiefe Züge. Genussmensch und Kumpel, aber auch Millionär und Mäzen: All das vereinte der Unternehmer Claus Wisser in seiner Person. Jetzt erlag der Gründer des Dienstleistungskonzerns WISAG mit heute mehr als 50 000 Mitarbeitenden nach langem Kampf seiner tückischen Krankheit. Er wurde 81 Jahre alt.

Nie schonte er sich. Und wusste es. „Ich habe Raubbau getrieben mit mir“, das war so ein Satz, der manchmal fiel in einer ruhigen, nachdenklichen Minute. Auch die gab es im Leben des Konzernchefs. Aber sein Motto war: „Ein Unternehmer, der ernsthaft Unternehmer ist, hat kein Privatleben.“ Wir waren in der Landschaft unterwegs, die er liebte wie keine andere, im Rheingau. Hier wanderte der Junge Claus schon mit seinem Vater, über die mit Reben bewachsenen Hügel, von Wiesbaden Richtung Rüdesheim. Immer Butterbrote dabei, „Fettbemmen“, wie sie genannt wurden. In den Pausen der mehr als 20 Kilometer langen Märsche gab es Bluna. Schon im Alter von acht Jahren stand der Sohn im kleinen Lebensmittelladen des Vaters an der Kasse. Aber mit 16 ging er seinen eigenen Weg, zog aus, wohnte mit Gleichaltrigen zusammen.

Wisser musste lächeln, wenn er über sein Leben sprach. Er wusste wohl, dass es einem illusionären Hollywood-Klischee entsprach. Vom Putzmann zum Multi-Millionär. Aber so war es nun mal. In diesem Wirtschaftswunder-Deutschland, das so mit seinem Aufstieg beschäftigt war, dass es die Nazi-Vergangenheit verdrängte, suchte der junge Mann mit einer Anzeige in der Frankfurter Rundschau einen Putzjob. Und bekam ihn. Am 15. März 1965 gründete der Student in Frankfurt seine erste Firma für Gebäudereinigung, deren einziger Mitarbeiter er war. So fing alles an. Der Rest ist Geschichte. 1975 ein zweites Unternehmen, das Dienstleistungen wie Sicherheit, Überwachung, Empfang anbot. 1993 Gründung der WISAG Holding als Dach für die wachsende Zahl von Firmen.

In den Medien bald der Spitzname: Die rote Eminenz. Denn Wisser war Sozialdemokrat sein Leben lang, einer der wenigen unter Deutschlands Konzernchefs. Als junger Mann die Freundschaft mit der damaligen Juso-Bundesvorsitzenden Heidemarie Wieczorek-Zeul, der berüchtigten „Roten Heidi“. Wisser hielt der SPD stets die Treue, spendete fleißig, zog hinter den Kulissen die Strippen. Sprach über Politik und seine Partei nur mit zusammengebissenen Zähnen. Haderte oft über das öffentliche Erscheinungsbild, bis zuletzt. In seiner Frankfurter Villa hing ein Gemälde eines seiner Idole an der Wand: Der Sozialdemokrat Carlo Schmid, einer der „Väter des Grundgesetzes“, wie das damals hieß. Die Mütter, die es auch gab, blieben ungenannt.

Wen er mochte, den ernannte Claus Wisser zum Kumpel und duzte ihn. Und die Kumpel konnten sich seiner Treue sicher sein. Der gescheiterte Bundesbank-Präsidenten Klaus Welteke bekam ein Büro in der Wisser-Villa. Der frühere Frankfurter SPD-Chef Franz Frey führte eine Wisser-Firma. „Wenn’s brennt, ist der Alte da“: Noch so ein Wisser-Satz.

Auch seine Tätigkeit als Kultur-Mäzen begann mit einer Kumpel-Geschichte. Wissers damals ältester Freund Michael Hermann hatte 1988 die Idee, in die schöne Rheingau-Landschaft ein Festival für klassische Musik zu betten. Das nötige Startkapitel für das Rheingau-Musikfestival gab Wisser. Heute ist das Festival ein Klassiker. Und der Unternehmer trat bald als Förderer für immer neue Kultur- und Bildungseinrichtungen auf, etwa für die Universität in Frankfurt, das Städel-Museum, das Caricatura für Komische Kunst. Stolz führte er zu Hause stets durch seine persönliche Kunstsammlung mit Werken von Isa Genzken bis Hermann Nitsch.

Doch der Kumpel war auch Machtmensch, der Zähne zeigte. Anfang der 2000er Jahre geriet das Firmen-Imperium in die Krise, als Wisser in der Textilindustrie viel Geld verlor und zusätzlich die wirtschaftliche Krise nach den Terroranschlägen von 2001 hereinbrach. Der Konzern-Chef entschied sich gegen die Aufnahme privater Partner, sanierte die WISAG mit harten Einschnitten. Nach und nach übergab er das operative Geschäft an seinen Sohn Michael, der 2007 Alleinvorstand wurde. Der Vater blieb im Aufsichtsrat, zuletzt als Ehrenvorsitzender.

Wisser versuchte, „loszulassen“, nicht mehr wie ein Getriebener zu leben. 2003 heiratete er seine langjährige Lebensgefährtin. Und widmete sich in den letzten beiden Jahrzehnten einer besonderen Leidenschaft, die er „Pflege schöner Altbauten“ nannte. Kaufte Immobilien, sanierte sie. Im Rheingau begann, was der Kaufmann sein „letztes großes Abenteuer“ nannte. 2017 Kauf von Kloster Johannisberg und Start der Sanierung. Hier lebte der Mann, der selbst gerne Architekt gewesen wäre, sein Faible für Architektur aus, mit Unterstützung von Profis wie dem Architekten Till Schneider und der Innenarchitektin Beate Weller. Wisser konnte noch mitverfolgen, wie das ehemalige Benediktinerkloster zu neuem Leben erwachte. In seinen Mauern dann Ende 2022 noch einmal ein opulentes Festmahl mit dem Freundeskreis. Noch einmal präsentierte sich der Unternehmer dort als Gastgeber, wie er es liebte. Beim letzten Telefonat gab er sich optimistisch, wie stets. Etwas anderes ließ seine eiserne Selbstdisziplin nicht zu.

Claus Wisser wollte, wie er einmal sagte, etwas hinterlassen, „das über mein Leben hinausgeht“. Das ist ihm ganz gewiss gelungen.

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